Migration und Wirtschaft (2) Deutschland? Es gibt nettere Länder!

(Deutschland) Diese Kolumne ist so richtig und wichtig und sollte JEDEM BÜRGER in unserem Land bekannt sein.

Vor allem Wähler aus dem (rechten) konservativen Lager, die wünschen es bliebe alles beim alten. Dem ist aber nicht so. Die Erde dreht sich weiter und Millionen Menschen gehen in Rente ohne das Nachfolger zur Verfügung stehen um zu arbeiten.

>>> Die rasch alternde Gesellschaft


Aus DER SPIEGEL plus.

Zum Autor

Henrik Müller ist Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus an der Technischen Universität Dortmund, wo er spezialisierte Wirtschaftsjournalismus-Studiengänge leitet.

Zuvor arbeitete der promovierte Volkswirt als Vizechefredakteur des manager magazins. Außerdem ist Müller Autor zahlreicher Bücher zu wirtschafts- und währungspolitischen Themen.

Für den SPIEGEL gibt er jede Woche einen pointierten Ausblick auf die wichtigsten Wirtschaftsereignisse der Woche.


Eine aktuelle Studie zeigt, dass viele Zuwanderer das Land wieder verlassen wollen. Es sind ausgerechnet die Qualifiziertesten, die Abwanderungsgedanken hegen. Warum wollen sie gehen? Und was könnte sie umstimmen?

Der Zuzug von Ausländern ist ein umstrittenes Phänomen, praktisch überall. Sogar in klassischen Einwanderungsländern wie Kanada spielt das Thema in Wahlkämpfen eine Rolle. In den USA, deren Größe als Nation und Volkswirtschaft seit Jahrhunderten auf Immigration fußt, führt die militärbewehrte Abschiebepraxis der Regierung Donald Trumps zu einer innenpolitischen Krise, die sich dieser Tage auf Los Angeles konzentriert. Großbritannien trat nicht zuletzt wegen der hohen Zuzugszahlen aus der EU aus (und hat nun mehr Immigranten als zuvor ).

In Deutschland beherrscht der Umgang mit Zuwanderung seit Jahren die Debatten, befeuert durch die Wahl- und Umfrageerfolge der AfD.


In den aufgeheizten Auseinandersetzungen geht leicht unter, dass praktisch alle westlichen Gesellschaften auf Zuwanderung angewiesen sind, auch Deutschland.

Die einheimische bundesrepublikanische Bevölkerung schrumpft seit vielen Jahren . Ohne Immigration in den Arbeitsmarkt wäre die gute Wirtschaftsentwicklung der 2010er-Jahre nicht möglich gewesen. Wir säßen längst in der demographischen Falle. Tatsächlich rechneten in den Nullerjahren viele Experten mit einem unmittelbar bevorstehenden Rückgang der Beschäftigung – und einem entsprechenden Erlahmen der Wirtschaftsentwicklung.

Dass es anders kam, lag vor allem am deutlich gestiegenen Zuzug aus der übrigen EU und dem weiteren Ausland.


Schrumpfnation

Doch nun verschärft sich die demographische Lage. Da die geburtenstarken Jahrgänge, geboren zwischen Mitte der Fünfziger- und Ende der Sechzigerjahre, nach und nach in den Ruhestand hinüberwechseln, droht eine Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung. Die OECD, die Organisation der Marktdemokratien, hat gerade ihren aktuellen Deutschland-Report vorgelegt.

In vielen Detailrechnungen legen die Pariser Experten dar, dass die Bundesrepublik deutlich attraktiver für Zuwanderer werden muss. »Um den Lebensstandard auf heutigem Niveau zu halten«, heißt es in dem Bericht, sei eine Nettoimmigration (Zuzug minus Fortzug) von rund 600.000 Arbeitskräften nötig – Jahr für Jahr.

Ein äußerst ambitioniertes Ziel. Denn hinter dem Zuwanderungssaldo verbirgt sich eine unglaubliche Dynamik. 2024 zum Beispiel zogen 1,7 Millionen Menschen nach Deutschland, 1,3 Millionen zogen weg.


Von der 600.000er-Marke der OECD sind wir ziemlich weit entfernt. Zuletzt sind die Zuwandererzahlen deutlich zurückgegangen. 2024 lag der Nettozuzug bei gut 419.000 Personen, und das waren nicht nur Erwachsene, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, so das Statistische Bundesamt .

Die Besten gehen am ehesten

Es kommen nicht nur weniger Leute ins Land als eigentlich nötig. Viele hier lebende Ausländer tragen sich mit dem Gedanken, Deutschland wieder zu verlassen. Eine soeben veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung , basierend auf einer Umfrage unter Leuten, die sich seit 2015 bei uns niedergelassen haben, hat einige besorgniserregende Befunde zutage gefördert.

Ich würde die Befunde so zusammenfassen: Je besser ausgebildet die Zugewanderten sind, je höher ihr Gehalt und je besser ihre Sprachkenntnisse, desto eher überlegen sie, Deutschland wieder zu verlassen. Gerade unter Hochqualifizierten in zukunftsträchtigen, technologieintensiven Branchen sind viele auf dem Sprung.

Klar, die Studie ist die erste Umfrage dieser Art. Eine Momentaufnahme. Es gibt keine zurückliegenden Vergleichswerte. Allzu forsche Schlussfolgerungen sind deshalb schwierig. Künftige Folgeumfragen werden mehr Licht ins Dunkel bringen. Der Erhebungszeitraum Ende 2024, Anfang 2025 fällt mit dem Bundestagswahlkampf zusammen. Die zugespitzte Zuwanderungsdebatte mag die Ergebnisse kurzfristig beeinflusst haben.


Und doch: Die Muster, die in der Studie zutage treten, sollten uns zu denken geben. Wir stehen in einem zunehmend intensiven internationalen Wettbewerb um den Zuzug Gutausgebildeter. Gesellschaften, die sich daran nicht beteiligen möchten, werden einen hohen Preis zahlen. Und ich fürchte, wenn wir so weitermachen, wird Deutschland dazugehören.

Rasch alternde Gesellschaft

Wer die deutsche bevölkerungspolitische Debatte verfolgt, kann leicht den Eindruck gewinnen, wir müssten Migranten abschrecken. Nach dem Motto: Alle wollen zu uns kommen – die »Pullfaktoren« seien so stark, dass Deutschland sich härter und unsympathischer geben müsse. Im Vordergrund stehen Begriffe wie Abschiebung, Rückführung, Zurückweisung. Unterbelichtet bleibt dabei, dass es längst nicht nur um humanitäre Fragen geht, sondern zentral um unser Eigeninteresse als rasch alternde Gesellschaft. Deutschland würde es enorm nützen, wenn sich mehr Gut- und Hochqualifizierte bei uns niederließen.

Es stimmt, dass die formalen Zuzugshürden für Erwerbswillige in den vergangenen Jahren gesenkt worden sind. Doch in der Praxis lassen sich die legalen Grenzanlagen nur mühsam überwinden. Allein einen Termin in einem deutschen Konsulat in einem Land außerhalb der EU zu bekommen, um ein Visum zu beantragen, ist schwierig.

Symbolbild aus dem Internet

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